Vorsicht: Kulturfalle

von Dr. SYLVIA ORTLIEB, Leiterin der interkulturellen Unternehmensberatung "Orient-Occident", München

Wer bei einer Reise in einen orientalischen Staat nicht schon beim ersten Kontakt in die Kommunikationsfalle treten möchte, sollte sich mit dortigen Gepflogenheiten vertraut machen.

Die Wirtschaft der arabischen Länder wächst und gewinnt für deutsche Unternehmer zunehmend an Bedeutung. Volle Kassen aufgrund der hohen Erdölpreise erlauben den Erdöl produzierenden Staaten Investitionen in ungeahntem Ausmaß. Neue Städte entstehen im Wüstensand der Golfstaaten und schaffen für Hunderttausende von Menschen Arbeitsplätze. Spiegelnde Bürokomplexe, Konferenz- und Wissenschaftszentren, Einkaufsmalls - allesamt architektonische Glanzstücke, die amerikanischen und europäischen Shoppingzentren in nichts nachstehen, sowie luxuriöse Hotel- und Sportanlagen locken Millionen von Touristen, Arbeitssuchende und Unternehmer in Scharen in die arabischen Länder am Golf. Allen voran in die Vereinigten Arabischen Emirate, die als das Chanceneldorado schlechthin gelten. Doch wer glaubt, man brauche dort nur das Geld von der Straße aufzuheben und könne ein Geschäft quasi im Stop-over abschließen, wird herbe Enttäuschungen erleben.

Erfolgreiche Geschäfte mit Arabern erfordern viel: Konkurrenzfähig und von erstklassiger Qualität müssen die Produkte sein, überzeugend und kulturkompetent die Anbieter. Denn dort, wo Hightech-Glitzerwelten mit hervorragender Infrastruktur und einwandfrei funktionierender Kommunikationstechnologie emporragen und westlichen Lebensstil suggerieren, haben orientalische Traditionen und Geschäftsgepflogenheiten bis heute ihren Stellenwert.

In die Kulturfalle treten kann man nur allzu schnell - und das schon bei der ersten Kontaktaufnahme. Will man sein Geschäft nicht schon von Anfang an in den Sand setzen, ist die Auseinandersetzung mit der arabischen Kultur, ihren politischen und ökonomischen Strukturen eine wesentliche Voraussetzung. Dieses Wissen kann man sich mit Büchern aneignen.

Interkulturelle Kompetenz hingegen bedeutet mehr als Faktenwissen oder gar nur die Fettnäpfchen zu kennen wie "die linke Hand gilt als unrein" und "die Schuhsohlen soll man nicht dem Gastgeber zeigen". Interkulturelle Kompetenz umfasst ein Spektrum, das sehr viel weiter reicht. Es erfordert Trainings, ein Sich-selbst-Kennenlernen und das Ausprobieren von neuen Handlungsmustern, Wahrnehmen und Auflösen von Stereotypen und Vorurteilen, das Einüben von Kommunikations- und Verhandlungsstrategien, um so im geeigneten Moment das Richtige zu sagen oder zu tun.

Interkulturelle Trainings geben Sicherheit für die Geschäftsanbahnung und befassen sich mit dem Geschäftsprozess: Wie reagiere ich richtig in schwierigen Situationen? Was mache ich, wenn ich feststellen muss, dass mein marokkanischer Partner Lieferschwierigkeiten hat? Wie überwinde ich Barrieren und Blockaden im Umgang mit der arabischen Bürokratie, und wie stelle ich Authentizität her, um in allen Situationen als ein vertrauenswürdiger Geschäftspartner angesehen zu werden?

Wie unterschiedlich die Welten sein können, zeigt alleine schon ein Blick auf die verschiedenen Herangehensweisen bei der Geschäftsanbahnung. Ein Beispiel für eine moderne Kommunikationstechnologie: Geschäfte können in Europa ausschließlich per E-Mail, Internettelefon und Videokonferenz gemacht werden. Diese zeitsparende Methode ist zweckmäßig für eine sachorientierte Gesellschaft, in der persönliche Kontakte eine untergeordnete Rolle spielen.

Im arabischen Raum hingegen handelt es sich um eine beziehungsorientierte Kultur, hier nehmen persönliche Kontakte und eine feste Vertrauensbasis einen hohen Stellenwert ein. Gerade weil dem persönlichen Kontakt so viel Bedeutung beigemessen wird, finden sich hier auch die meisten interkulturellen Fallstricke. Unsere direkte Art der Kommunikation, geradeheraus und ohne Umschweife zur Sache zu kommen, Probleme konkret und beherzt offen anzugehen, das zeichnet dem arabischen Businesspartner nicht nur Stirnfalten ins Gesicht, sondern bringt ihn womöglich dazu, sich möglichst schnell aus dem Staube zu machen.

Die direkte Kommunikation wirkt auf arabische Geschäftsleute eher wie ein Affront auf sein feinsinniges Ausloten, seine elaborierte Kunst, Schleifen um Inhalte, Fragen und Probleme zu binden, und seine Methode, den westlichen Partner so lange wie möglich im Unklaren zu lassen. Bis es zum erfolgreichen Geschäftsabschluss kommt, kann also viel Wasser den Rhein hinunterfließen oder können Dünen in der Unendlichkeit der Wüste weiterwandern.

Mit anderen Worten: Geduld zu üben und erfolgreiche Verhandlungswege einzuschlagen ist für den durch das Motto "Time is Money" gestressten deutschen Unternehmer oft sehr viel schwieriger, als ein Master-Sudoko zu lösen. Interkulturelle Kompetenz zu lernen und zu verinnerlichen, das kostet nicht allzu viel Zeit und Geld. Die entscheidenden Soft-Skills jedoch zu ignorieren hat schon manchem Unternehmer das Geschäft ruiniert.

"Vorsicht: Kulturfalle" in F.A.Z. Nr. 211, 9. September 2008 PDF download